Humboldt-Universität zu Berlin - Lebenswissen­schaftliche Fakultät - Institut für Psychologie

Diplom und Doktorarbeiten


Tipps und Anforderungen für Diplomarbeiten


   Die ideale Diplomarbeit

Die ideale Diplomarbeit ist so beschaffen, dass sie nach den Überarbeitungshinweisen des Betreuers bzw. der Betreuerin mit diesem/r als Zweitautor/in als Zeitschriftenartikel eingereicht werden kann. Wenn für eine Veröffentlichung eine internationale Zeitschrift in Frage kommt, so empfiehlt es sich, auch die Arbeit selbst auf Englisch zu verfassen.


   Prozessablauf

Sie suchen sich eine/n Betreuer/in unter den Mitarbeitern oder Doktoranden der Organisations- und Sozialpsychologie oder den Hauptmitarbeitern bei artop. Wir vereinbaren mit Ihnen ein Thema und die Schwerpunkte der Arbeit.

Innerhalb von ca. 2 Monaten arbeiten Sie ein Exposé für die Diplomarbeit aus, das vor allem den inhaltlichen Schwerpunkt der Arbeit, die theoretischen Grundlagen und das vorgesehene Design der empirischen Untersuchung enthält (ca. 10 Seiten insgesamt). Dieses Exposé besprechen Sie mit dem/der Betreuer/in.

Sie tragen Ihr Konzept auf dem Diplomanden- und Doktorandenkolloquium vor, das regelmäßig während der Vorlesungszeiten stattfindet, im Notfall aber auch mal in der vorlesungsfreien Zeit. Nach dem Vortrag sprechen Sie eine/n weitere/n Mitarbeiter/in aus der Organisations- und Sozialpsychologie an und bitten sie/ihn um das Zweitgutachten für die Diplomarbeit und damit auch um eine, im Umfang sicher geringe, Zweitbetreuung. Die Anregungen, die Sie bei dem Kolloquium erhalten, fügen Sie nach Absprache mit dem/der Betreuer/in in Ihr Exposé ein. Danach melden Sie die Diplomarbeit bei Frau Miller (Prüfungsamt) an.

Wenn Sie die Daten erhoben und erste Auswertungen vorgenommen haben, können Sie Ihre Studie noch einmal auf dem Diplomanden- und Doktorandenkolloquium präsentieren, um weitere Anregungen für die Auswertung und die Interpretation zu bekommen.

Sechs Monate nach Anmeldung der Arbeit geben Sie ab oder verlängern die Bearbeitungszeit. Wir wollen uns alle sehr bemühen, dass die Arbeiten so zugeschnitten werden, dass Sie möglichst ohne Verlängerung und mit einem relativ geringen zeitlichen Vorlauf Ihre Arbeit beenden können, damit die Studienzeiten nicht überlang werden.


   Praxisarbeiten

Studierende machen gerne Praxisarbeiten, speziell im Bereich der A&O-Psychologie, weil sie dann schon Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern bekommen und weil es in jedem Fall für andere potenzielle Arbeitgeber auch interessant ist. Grundsätzlich wird das vom Lehrstuhl unterstützt, allerdings sind hier einige Vorbehalte zu nennen aus der Erfahrung mit früheren Fällen.

Sie müssen sich sofort einen Betreuer unter den Mitarbeitern der Organisations- und Sozialpsychologie suchen und das geplante Projekt erläutern sowie die Zusage für die Betreuung abwarten. In der Vergangenheit kamen manche Diplomand(inn)en erst relativ spät zu universitären Gutachtern, wobei es dann oft schwierig wurde, die nötigen Korrekturen am Design vorzunehmen bzw. fast eine Art Nötigung eintrat, die oder den Betreffende/n mit der Arbeit nicht hängen zu lassen. Wir werden hier in Zukunft weniger Kompromisse machen.

Die Betreuung einer Praxisarbeit von Mitarbeiter(inne)n aus der Praxis hat oft nicht die notwendige Qualität. Deshalb kann man dies zwar als Anregung aufnehmen, aber die kritische Betrachtung, am besten mit dem universitären Gutachter, ist absolut nötig. Die Tatsache einer Praxisarbeit enthebt Sie nicht von den üblichen wissenschaftlichen Standards.

Eine Praxisarbeit sollte nur der- oder diejenige machen, der/die genügend Selbstbewusstsein mitbringt, um die nötigen Qualitätsanforderungen auch in der Praxis durchzusetzen.

Arbeiten in der Praxis gehen oft von praktischen Problemen aus, was interessant und wünschenswert ist, aber die theoretische Grundlegung und der Zuwachs an Erkenntnis, den man von einer wissenschaftlichen Arbeit erwartet, dürfen nicht vernachlässigt werden.


   Gestaltung der Arbeit

Die Diplomarbeit sollte im Idealfall zwischen 25 und 40 Seiten lang sein (12-Punkt Schrift, 1,5-facher Zeilenabstand, 2,5 cm Seitenrand), so dass sie nach einer Überarbeitung zusammen mit dem/der Betreuer/in als Artikel bei einer Fachzeitschrift eingereicht werden kann. Maximal sind 70 Seiten zugelassen. Arbeiten, die durch zwei Personen zusammen erstellt werden (Doppeldiplomarbeiten), können bis zu 50% länger sein, müssen es aber nicht. Titelblatt, Verzeichnisse und Anhänge, in denen die Erhebungsinstrumente abgedruckt werden, zählen nicht zur Seitenbegrenzung. Auch manche ausführlichen statistischen Dokumentationen können im Anhang wiedergegeben werden. Im Text dagegen sind alle statistischen Angaben zu machen, die für das Verständnis der Arbeit notwendig sind.

In einem Fachartikel werden häufig Details des methodischen Vorgehens (z. B. Pilotstudien, Faktorenanalysen zur Skalenentwicklung) nicht oder nur nebenbei berichtet. Diese sollten aber in einer Diplomarbeit durchaus erwähnt werden, um die Sorgfalt des Vorgehens zu demonstrieren. Damit die Arbeit dennoch ohne viel Aufwand in einen Fachartikel umgewandelt werden kann, können diese Details in der Diplomarbeit in separaten Teilkapiteln oder im Anhang dargestellt werden, die dann für den Artikel gelöscht werden können, ohne das Gesamtverständnis zu behindern. Auf die gleiche Weise können in einer Diplomarbeit auch weniger zentrale Ergebnisse separat berichtet werden, die dann für den Fachartikel gelöscht werden.

Diese relative Kürze von Diplomarbeiten wird dadurch erreicht, dass man sich erstens an guten ausführlichen Aufsätzen in guten Zeitschriften orientiert. Zweitens soll der Theorieteil nicht zu breit werden, man muss nicht alle berührten Gebiete "abklappern" bzw. lehrbuchartig darstellen. Als Leser/innen stellen Sie sich Akademiker/innen vor, die sich in dem speziellen Thema nicht auskennen, aber wissenschaftliche Arbeiten und Aufsätze aufgrund ihrer methodischen Ausbildung gut lesen können. Sie schreiben nicht für den/die Betreuer/in, sondern für ein interessiertes Publikum. Daher geht es nicht nur um formale Richtigkeit, sondern auch um interessante Darstellung.

Bei Doppeldiplomarbeiten wird jede Person individuell benotet. Daher ist im Inhaltsverzeichnis der Arbeit zu kennzeichnen, welcher Teil von welcher Person erstellt wurde. Dabei muss jede Person Unterkapitel aus jedem der Kapitel übernehmen. Einleitung und Diskussion dürfen auch von beiden zusammen erstellt werden.

Die formale Darstellung erfolgt nach den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychologie. Anhaltspunkte dafür finden Sie hier:

"Einführung in die Anfertigung wissenschaftlicher Arbeiten"

"Auszug mit Zitier-Beispielen aus den "Richtlinien zur Manuskriptgestaltung" der DGPs.


Die Grundgliederung jeder Arbeit besteht aus folgenden Punkten:

 

  

Zusammenfassung (nicht nummeriert), in der mit maximal 150 Wörtern das Wichtigste zu Hintergrund, Methodik, Ergebnissen und Interpretation genannt wird. Die Zusammenfassung sollte für psychologisch vorgebildete Leser/innen verständlich sein, ohne die Arbeit gelesen zu haben. Sie sollte konkret sein, z.B. dadurch dass die Richtung spezifischer Effekte angegeben wird.

  
1. Einleitung, in der Sie darstellen, welches die Hauptfragestellung Ihrer Arbeit ist, warum diese Fragestellung relevant ist, was der Hintergrund der Arbeit ist, also z. B. in welches Projekt sie eingebettet ist oder in welchem praktischen Rahmen die Arbeit geschrieben wird, und wie und warum die Arbeit so aufgebaut ist.




  
2. Theorie, in der der Stand der Forschung dargestellt wird und daraus spezifische Hypothesen abgeleitet werden. Dabei sollen die Hypothesen durch vorhandene Forschung und eigene Überlegungen explizit begründet werden und nicht zusammenhanglos am Ende des Theorieteils stehen.

  
3. Methodik, wobei Sie darstellen, welche Untersuchungsart gewählt wird, welche Stichproben gezogen werden, wie das Design der Untersuchung ist, dann die Variablen, die entweder manipuliert oder gemessen werden, woher Sie diese Variablen haben und die Gütekriterien der Messung.

  
4. Ergebnisse, am Besten analog zum Theorieteil oder zu den Hypothesen gegliedert. Wichtig ist, dass die Richtung von Effekten transparent wird und alle üblichen statistischen Kennwerte präsentiert werden (aber auch nicht mehr).

  
5. Diskussion, , in der Sie die Hauptfrage(n) und/oder Hypothesen beantworten und aus den wichtigsten Ergebnissen begründete Schlussfolgerungen für Theorie und/oder Praxis ziehen. Wichtig ist hier, die Ergebnisse nicht einfach nur zu wiederholen, sondern über die reinen empirischen Fakten hinauszugehen und Bezug auf mögliche zugrunde liegende Prozesse zu nehmen. Zudem werden Stärken und Schwächen der eigenen Arbeit diskutiert und konkrete Ideen für zukünftige Forschung präsentiert.

Wenn es zu diesen fünf Hauptpunkten Unterpunkte gibt, so sollten diese einer einheitlichen Gliederungssystematik folgen, d. h. entweder einheitlich zweistellig (2.1, 2.2 …) oder maximal dreistellig (2.1.1, 2.1.2 …) sein. Dabei ist es nicht sinnvoll, wenn ein Punkt nur einen Unterpunkt hat, denn dann kann man sich diesen Unterpunkt sparen und gleich als Ausführung zu dem übergeordneten Punkt schreiben. Zwei Überschriften sollten nie direkt nacheinander stehen; die Überschrift eines Hauptpunktes führt erst nach einem oder zwei einführenden Sätzen zu der Überschrift des folgenden Unterpunktes.


 Für eine didaktisch gute und verständliche Aufbereitung der Arbeit ist folgende Quelle sehr hilfreich:

Bem, D. J. (2002). Writing the Empirical Journal Article. In J. M. Darley, M. P. Zanna & H. L. Roediger III (Eds.), The complete academic: A career guide. Washington, DC: American Psychological Association. [verfügbar unter http://dbem.ws/WritingArticle.2.pdf]

Kritisch bei diesem Kapitel ist jedoch, dass Daryl Bem dafür plädiert, den Theorieteil nachträglich sehr an den Ergebnissen auszurichten. Dadurch besteht die Gefahr, Zufallsbefunde überzuinterpretieren und „unschöne“ Ergebnisse zu ignorieren. In einer Diplomarbeit sollten die Hypothesen vor der Auswertung aufgestellt werden und auch falsifizierende Ergebnisse berichtet werden.

 

Weitere Tipps zur Vermeidung typischer Mängel

Bei den Untersuchungsformen wird oft nicht klar zwischen Experiment (Labor- oder Feldexperiment) und nichtexperimentellen Studien (geplante Feldstudie, Sekundäranalyse von Daten, Fallstudie etc.) unterschieden, und die Spezifika dieser Untersuchungsformen werden zu wenig reflektiert und beachtet. So gibt es die Unterscheidung von abhängigen und unabhängigen Variablen nur bei Experimenten, aber nicht bei den anderen Untersuchungsformen. Bei nicht-experimentellen Studien sollte man stattdessen von Kriteriums- und Prädiktorvariablen sprechen.

Bei den verwendeten Variablen sind grundsätzlich Reliabilität und Validität zu diskutieren und wenn möglich, empirisch zu bestimmen. Dies gilt gerade auch für die Validität unabhängiger Variablen, die nicht selbstverständlich ist, und die unter dem Stichwort der ökologischen Validität zu diskutieren ist, während der Begriff der externen Validität fehlplaziert ist (vgl. Bredenkamp, J., 1980, Theorie und Planung psychologischer Experimente, Darmstadt: Steinkopff; Gadenne, V., 1976, Die Gültigkeit psychologischer Untersuchungen, Stuttgart: Kohlhammer).

Speziell bei Faktorenanalysen wird oft der theoretische Hintergrund einer solchen Analyse zu wenig beachtet. In den seltensten Fällen gibt es gute theoretische Hintergründe, die für orthogonale Faktoren sprechen. Daher ist grundsätzlich erst eine schiefwinklige Rotation vorzunehmen; wenn dann die Korrelationen zwischen den Faktoren bei weniger als .1 liegen, kann man es als unbedeutend betrachten und eine orthogonale Varimax-Rotation nachschieben. Bei der Extraktion der Faktoren ist das so genannte Kaiser-Kriterium (Eigenwert >1) in der Regel nur die Untergrenze, aber nicht das entscheidende Kriterium. Wichtiger ist vielmehr der Scree-Test, der anzeigt, wie viele Faktoren mehr als reine Restvarianz erklären. Darüber hinaus sollten in der Regel nur Faktoren extrahiert werden, für die mindestens drei Items hoch laden. Und schließlich ist natürlich auch die inhaltlich-theoretische Interpretierbarkeit bei der Faktoren-Extraktion und -Rotation zu beachten.

Bei der Ergebnisdarstellung ist es nicht nutzerfreundlich und daher auch nicht angebracht, erst alle möglichen Zahlenauswertungen zu bringen und dann später in einem Diskussionspunkt diese vielen verschiedenen Zahlen zu interpretieren. Dies gilt ganz besonders für Feldstudien, in denen oft viele Mittelwerte, Mittelwertunterschiede und Korrelationen berichtet werden, die dann theoretisch interpretiert werden. Hilfreich ist es daher, die Ergebnisse anhand der Hypothesen zu gliedern und/oder sofort ihren Bezug zu den Hypothesen aufzuzeigen. Zudem können auch bereits im Ergebnisteil Interpretationen vorgenommen werden, wenn sie eindeutig als solche erkennbar sind.


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